Empathie ist kein Businessmodell – und schon gar keine Entschuldigung

Du kannst nicht mit Mitgefühl die Miete zahlen. Du kannst nicht mit „Ich fühle dich“ den Cashflow retten. Und du kannst sicher nicht mit „Empathie“ rechtfertigen, warum dein Team seit drei Quartalen rote Zahlen schreibt. Wer das liest und jetzt empört aufschreit, hat verstanden.

Wer jetzt denkt „Aber Menschen sind doch kein KPI“, sollte dringend weiterlesen – und sich auf einen Realitätsabgleich gefasst machen.

Kontrastreiche Typografie mit den Worten FÜHLEN und FÜHREN. Schwarz-Weiß-Bild mit hartem Schnitt, das die Entscheidung zwischen Gefühlen und Führung illustriert.
Fühlen oder Führen: Die Entscheidung in der Führungspraktik

Früher war „Führen mit Herz“ ein Witz unter alten Hasen. Heute ist es LinkedIn-Content. Jeder zweite Coach, jede dritte HR-Direktorin und jeder vierte Gründer postet empathische Selbstinszenierungen, als wäre Mitgefühl ein neuer Pitchwettbewerb. Die Formel ist simpel: Foto mit Blick in die Ferne, Zitat über „die Seele des Unternehmens“, Hashtag #EmpathicLeadership – fertig ist die Marke. Dass dahinter oft nichts steht außer heißer Luft, kümmert niemanden. Hauptsache, man ist auf der richtigen Seite der Geschichte.

Die Empathie-Inflation: Warum plötzlich alle „empathisch führen“

Die Empathie-Inflation ist kein Zufall. Es ist die logische Reaktion auf eine Gesellschaft, die Kompetenz mit Arroganz verwechselt und Entscheidungsfreude mit „toxischer Männlichkeit“. Also wird aus Schwäche Stärke gemacht. Aus Unentschlossenheit Sensibilität. Aus Kontrollverlust „Raum geben“.

Das Ergebnis: Unternehmen voller „empathischer“ Führungskräfte, die keine Entscheidungen treffen, keine Konflikte aushalten und keine Verantwortung übernehmen. Aber hey – es gibt tolle Team-Retreats mit Achtsamkeits-Yoga.

Wenn Warmherzigkeit zur Ausrede wird

Stell dir vor, dein Controller kommt mit schlechten Zahlen. Statt zu fragen, wo das Geld geblieben ist, sagst du: „Ich spüre, dass du gerade unter Druck stehst.“ Stell dir vor, dein Vertrieb verfehlt das Ziel um 30 %. Statt zu analysieren, warum die Pipeline leer ist, organisierst du einen Circle, in dem „Gefühle zur Performance“ geteilt werden.

Stell dir vor, dein wichtigster Kündigt – und du schickst ihm ein eigens gelettertes Postkärtchen mit „Danke für deine Reise mit uns“.

Das ist keine Führung. Das ist Selbsttherapie mit Firmenkreditkarte. Und es ist die perfekte Ausrede für alle, die keine Zahlen liefern: Ich war ja so empathisch. Ich habe ja auf die Bedürfnisse geachtet. Ich war ja kein Rabauke.

Tatsache ist: Wer sich hinter Empathie versteckt, versteckt sich vor Verantwortung. Wer Führen mit Gefühl predigt, will oft nur nicht führen.

„Ich bin kein Arschloch – ich bin nur klar.“ Das sagte mir ein CEO, nachdem er drei Abteilungsleiter rausgeschmissen hatte. Drei Monate später war das Unternehmen wieder profitabel. Kein Yoga-Retreat hätte das geschafft.

Empathie kann keine Excel-Tabelle lesen

Cashflow ist ein Sadist. Er interessiert sich nicht dafür, ob dein Team „sich wertgeschätzt fühlt“. EBITDA ist ein Psychopath. Er will Zahlen, keine Gefühle. Dein Kunde ist ein Pragmatiker. Er will Lösungen, keine emotionale Verbindung.  Und dein Investor ist ein Realist. Er will Return, nicht Rettung.

Empathie ist kein Ersatz für Controlling. „Ich verstehe deine Sorgen“ löst keine Liquiditätslücke. „Ich nehme dich ernst“ bezahlt keine Löhne. „Ich höre dir zu“ rettet kein Projekt. Wenn du nicht lesen kannst, warum deine Margen im Keller sind, was dir deine KPIs sagen und warum deine Conversion-Rate bröckelt, dann bringt dir auch der empathischste Coach nichts – außer vielleicht eine Rechnung.

Die harte Wahrheit: Gefühle sind kein KPI

  • Deine Burn-Rate interessiert sich nicht für deine Gefühle.
  • Deine Umsatzziele interessieren sich nicht für deine Absichten.
  • Deine Kunden interessieren sich nicht für deine Achtsamkeitspraxis.
  • Deine Konkurrenz interessiert sich nicht für deine Werte.

Führung braucht Klarheit – keine Kuscheldecken

Führen heißt: Entscheidungen treffen. Konflikte austragen. Verantwortung tragen. Und manchmal: Menschen entlassen. Das ist nicht grausam. Das ist der Job. Wer das nicht will, sollte Freelancer werden oder ins Tierschutzamt gehen.

Aber bitte nicht „Leader“ spielen und dann rumheulen, wenn es hart wird.

Die größte Lüge der Empathie-Bewegung? Dass Führen mit Herz weich ist. Bullshit. Wahre Führung ist hart – aber fair. Klar – aber nicht gemein. Direkt – aber nicht verletzend. Und vor allem: konsequent.. Wer sagt „Ich will ehrliches Feedback“, muss es auch aushalten, wenn jemand sagt: „Dein Konzept ist Murks.“

Wer sagt „Wir sind ein Team“, muss auch sagen können: „Du passt nicht ins Team.“ Empathie ohne Klarheit ist Führungsschwäche. Klarheit ohne Empathie ist Arroganz. Aber Klarheit mit Empathie – das ist Führung.

Die bittere Wahrheit: Manchmal musst du Leute rausschmeißen

Es gibt einen Moment, an dem jede „empathische“ Führungskraft scheitert: wenn jemand raus muss. Nicht, weil er ein schlechter Mensch ist. Nicht, weil er nicht nett ist. Sondern weil er das falsche Skillset hat. Weil er die falsche Einstellung hat. Weil er das Team runterzieht. Und dann beginnt das große Theater: „Aber er ist doch so beliebt.“ „Aber er hat doch eine Familie.“ „Aber das wäre doch so gemein.“

Nein, das wäre nicht gemein. Das wäre die Konsequenz aus deinem Job. Jeder Tag, den du jemanden drin lässt, der nicht passt, ist ein Tag, an dem du den Rest des Teams verrätst. Jeder Monat, in dem du die Performance ignorierst, ist ein Monat, in dem du die Zahlen sabotierst. Und jedes Mal, wenn du „aber er ist doch so lieb“ sagst, sagst du implizit: „Die Arbeit der anderen ist mir egal.“

Ich habe einmal einen Mitarbeiter behalten, weil er „sympathisch“ war. Er war auch inkompetent. Nach drei Monaten musste ich ihn doch rauswerfen – und zusätzlich drei andere Leute, die wegen seiner Fehler Überstunden schieben mussten. Die waren weniger sympathisch zu mir. Verständlich.

Warum Teams nicht scheitern, weil es „an Empathie fehlt“

Teams scheitern nicht, weil sie sich nicht genug „angekommen fühlen“. Teams scheitern, weil sie keine klaren Ziele haben. Keine klaren Rollen. Keine klaren Prozesse. Weil niemand sagt, was Sache ist. Weil jeder rumdruckst. Weil Konflikte unter den Teppich gekehrt werden. Weil Feedback verboten ist. Weil Leistung ignoriert wird. Weil Verantwortung diffus ist.

Empathie ist der Pflaster für die Symptome. Aber niemals die Lösung für das Problem. Wenn dein Team nicht liefert, musst du nicht mehr „empathisch“ sein. Du musst schauen, warum es nicht läuft. Vielleicht ist die Strategie Murks. Vielleicht ist die Führung schwach. Vielleicht sind die falschen Leute am falschen Platz.

Aber sicher ist: Mehr Gefühle werden es nicht richten.

Die Top-5 Gründe, warum Teams scheitern

  1. Keine klare Zielsetzung – „Wir wollen wachsen“ ist kein Ziel.
  2. Keine messbare Performance – „Wir geben unser Bestes“ ist kein Maßstab.
  3. Keine Konsequenzen – „Mal schauen“ ist kein Controlling.
  4. Keine Konfliktkultur – „Wir sind ja alle Freunde“ ist keine Strategie.
  5. Keine Entscheidungen – „Lass uns das mal besprechen“ ist kein Fortschritt.

Case Study: Wenn Feelgood-Leadership ganze Projekte killt

Ein mittelständischer Tech-Dienstleister, 120 Mitarbeiter, drei Geschäftsführer. Alle drei „empathisch“. Alle drei „Menschenmenschen“. Alle drei unfähig, harte Entscheidungen zu treffen. Ergebnis: Ein Jahr Projektpipeline, alles rot. Kunden springen ab. Mitarbeiter überarbeitet. Budgets gekürzt. Warum? Weil jede schwierige Diskussion mit „Ich spüre, dass du…“ begann. Weil jeder Konflikt mit „Lass uns das in Ruhe besprechen“ beerdigt wurde.

Weil jeder Leistungsschwäche mit „Er braucht wohl mehr Zeit“ begegnet wurde.

Dann kam eine externe Beraterin. Keine „Coach-Tante“, sondern eine ehemalige COO aus der Industrie. Erstes Meeting: „Ich kümmere mich nicht darum, ob ihr euch wohl fühlt. Ich kümmere mich darum, ob ihr Geld verdient.“

Ergebnis nach neun Monaten: Umsatz +34 %. Mitarbeiterfluktuation -60 %. Kundenzufriedenheit auf Rekordhoch. Wie? Indem man klare Ziele setzt. Indem man schlechte Performer rauswirft. Indem die Meetings auf fünf Minuten reduziert wurden.

Indem man sagte: „Wer nicht liefert, fliegt.“ Kein Yoga. Kein Circle. Kein Feelgood. Nur Ergebnisse.

Was wirklich zählt: Kompetenz + Entscheidungsfähigkeit

Du kannst der empathischste Mensch der Welt sein – wenn du keine Ahnung hast, bringt es niemandem was. Du kannst die besten Absichten haben – wenn du nicht entscheidest, bringt es niemandem was. Du kannst alle mit Samthandschuhen anfassen – wenn du keine Ergebnisse lieferst, bringt es niemandem was.

Kompetenz heißt: Du weißt, was du tust. Du kennst deine Zahlen. Du kennst deine KPIs. Du kennst deine Prozesse. Du kennst deine Kunden. Du kennst dein Handwerk. Entscheidungsfähigkeit heißt: Du triffst Entscheidungen. Auch unpopuläre. Auch schnelle. Auch harte. Du sagst: „So wird es gemacht.“ Und du stehst dafür ein. Ohne „aber vielleicht“. Ohne „ich muss nochmal darüber schlafen“. Ohne „lass uns das im Team besprechen“.

Empathie ist ein Werkzeug, kein Leitbild

Empathie ist nützlich – wenn es an der richtigen Stelle eingesetzt wird. Wenn du verstehen willst, warum ein Kunde sauer ist. Wenn du merkst, dass ein Mitarbeiter überlastet ist. Wenn du eine schwierige Nachricht klug verpackst. Aber Empathie ist ein Werkzeug im Werkzeugkasten – nicht der Werkzeugkasten selbst. Du wirst kein Haus bauen, nur weil du einen Hammer hast. Und du wirst kein Unternehmen führen, nur weil du „empathisch“ bist.

Der Trick ist: Empathie einsetzen, wenn es nützt. Und ignorieren, wenn sie im Weg ist. Wenn du jemanden entlässt, musst du nicht seine Gefühle retten. Du musst ihm klar sagen, warum. Wenn du ein Projekt killst, musst du nicht jeden Trostpimmel abholen. Du musst erklären, warum es nicht funktioniert hat. Wenn du ein schlechtes Quartal hast, musst du nicht „Vertrauen“ predigen. Du musst sagen, was du änderst.

Der Unterschied zwischen Mitgefühl und Führungsschwäche

Mitgefühl ist, wenn du verstehst, dass jemand krank ist. Führungsschwäche ist, wenn du deshalb die Deadlines verschiebst. Mitgefühl ist, wenn du merkst, dass jemand überfordert ist. Führungsschwäche ist, wenn du deshalb die Anforderungen senkst. Mitgefühl ist, wenn du eine Entlassung menschlich gestaltest. Führungsschwäche ist, wenn du es vermeidest.

Der Unterschied ist knapp – aber entscheidend. Mitgefühl heißt: Ich sehe dich. Ich verstehe dich. Aber ich erwarte trotzdem, dass du deinen Job machst. Führungsschwäche heißt: Ich sehe dich. Ich verstehe dich. Und deshalb mache ich deinen Job für dich. Oder lasse es bleiben. Oder schiebe es auf. Und das ist der Moment, an dem du nicht mehr führst. Du verwaltest nur noch Chaos mit Gefühlen.

Die letzte Frage: Was willst du wirklich?

Willst du geliebt werden? Dann kandidiere für den Kindergarten. Willst du gemocht werden? Dann geh ins Theater. Willst du gefeiert werden? Dann mach Influencer. Aber wenn du führen willst – dann führ. Mit klaren Zielen. Mit klaren Entscheidungen. Mit klaren Konsequenzen. Und wenn du dabei Mitgefühl zeigst, umso besser. Aber verwechsele das nicht mit deiner Kernaufgabe.

Empathie ist kein Businessmodell. Kein Alleinstellungsmerkmal. Kein USP. Kein KPI. Und ganz sicher kein Grund, schlechte Performance zu tolerieren. Kein Grund, Entscheidungen aufzuschieben. Und schon gar kein Grund, kein Geld zu verdienen.

Wenn du das verstanden hast, kannst du anfangen, richtig zu führen. Wenn nicht, bleibt dir immer noch das Yoga-Retreat. Da kannst du dich austauschen mit anderen, die auch keine Zahlen liefern – aber dafür sehr viel fühlen. Und jetzt? Jetzt geh an die Arbeit.
Deine Zahlen warten nicht darauf, dass du dich selbst verstehst.

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Jens Röge

Jens Röge

Texter, Klartext-Lieferant & Gründer von Plain Rebels.
Seit über 10 Jahren im Spiel – spezialisiert auf B2B, Markenkommunikation, Social Media und den ganzen Tech-Kram, den andere nicht verständlich kriegen.

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