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GPT-5? Ich warte nur noch aus Prinzip!

GPT-5? Ich warte nur noch aus Prinzip!

Es ist Juli 2025. Ich sitze hier mit meinem ChatGPT Plus-Abo, das ich seit zwei Jahren nicht mehr kündige – aus einer Mischung von Nostalgie, Masochismus und der vagen Hoffnung, dass Sam Altman irgendwann mal liefert. Spoiler: Er tut es nicht.

Während ich diesen Text schreibe, generiert Claude 4 im Hintergrund Code für ein Projekt, das mit GPT-4o drei Mal so lange dauern würde. Mein Kollege rendert gerade mit Google Veo 3 ein Video, das Sora nicht mal im Ansatz hinbekommt. Und Meta? Die haben gerade Llama 4 gedroppt – open source, versteht sich. Nur OpenAI schweigt. Oder schlimmer: Sie reden viel und sagen nichts.

Das ewige Morgen

Erinnert ihr euch noch an November 2023? DevDay. Sam auf der Bühne. GPT-5 kommt „bald“. Dann Februar 2024: „In ein paar Monaten.“ Mai 2024: „Wir arbeiten dran.“ Dezember 2024: „GPT-4.5 ist nur eine Zwischenlösung.“ Februar 2025: GPT-4.5 landet. März: „GPT-5 kommt in Monaten, nicht Wochen.“ Juli 2025: Stille.

Die einzige Konstante bei OpenAI ist mittlerweile das Verschieben von Release-Daten. GPT-5 ist das Duke Nukem Forever der KI-Welt geworden. Mit dem Unterschied, dass Duke Nukem irgendwann tatsächlich erschien.

„Wenn deine Roadmap nur aus Nebel besteht, ist es keine Roadmap – es ist ein Wunschzettel.“

Der GPT Store: Spielplatz für Prompt-Kiddies

Aber hey, wenigstens haben wir den GPT Store bekommen! Nach mehreren Verschiebungen und dem Drama um Altmans Rauswurf landete er dann doch irgendwann Anfang 2024. Das Ergebnis? Ein glorifizierter App Store für Leute, die glauben, drei Zeilen System-Prompt machen sie zum KI-Unternehmer.

Die Top-GPTs im Store? „Essay Writer Pro“ (System-Prompt: „Write essays“), „Code Helper Extreme“ (System-Prompt: „Help with code“) und mein persönlicher Favorit: „Ultimate Life Coach AI“ (System-Prompt: „Be supportive“). Revolutionary.

Das Problem ist nicht mal die Qualität der GPTs. Es ist die komplette Absenz von Innovation. Jeder kann jeden GPT in fünf Minuten nachbauen. Es gibt keinen Schutz, keine echte Differenzierung, keine Möglichkeit, wirklich unique Value zu schaffen. Es ist, als hätte Apple 2008 einen App Store gelauncht, in dem man nur Shortcuts zu Websites verkaufen kann.

Sora: Von Google deklassiert, bevor es richtig ankam

Februar 2024: OpenAI zeigt Sora. Die Tech-Welt flippt aus. „Das ist die Zukunft!“ Dezember 2024: Sora wird endlich released – für Plus- und Pro-User. Eine Woche später: Google droppt Veo 2. Noch eine Woche später: Veo 3.

Der Vergleich ist brutal:

  • Sora: 1080p, kein Audio, 60 Sekunden max, wartet ewig
  • Veo 3: 4K, generiert synchronen Sound, 2 Minuten, deutlich schneller

Sora fühlt sich an wie ein Tech-Demo von 2023, das zu spät zur Party kommt. Während OpenAI noch an der Tür klingelt, tanzt Google schon auf den Tischen. Und das Schlimmste? OpenAI hatte ein ganzes Jahr Vorsprung. Ein Jahr! Was haben die gemacht? Board-Meetings über AI Safety?

Die Konkurrenz liefert – OpenAI philosophiert

Während OpenAI damit beschäftigt ist, die x-te Iteration von GPT-4 zu veröffentlichen (GPT-4, GPT-4 Turbo, GPT-4o, GPT-4.5, GPT-4.1 – seriously?), machen andere Nägel mit Köpfen:

Anthropic: Claude 4 ist da. Opus und Sonnet. Beide mit „extended thinking“, beide besser im Coding als alles, was OpenAI hat. Die Artifacts-Funktion? Game Changer. Währenddessen bastelt OpenAI an „Canvas“ – einer schlechteren Kopie, die Monate später kommt.

Meta: Llama 4 dropped im April 2025. Open Source. 288 Milliarden aktive Parameter bei Behemoth. Multimodal from scratch. Die Community flippt aus, baut Tools, Forks, Anwendungen. OpenAI? „Wir evaluieren noch Safety-Aspekte.“

Google: Gemini 2.5 Pro. Veo 3. Deep Think für Reasoning. Die integrieren ihre KI überall – Gmail, Docs, Calendar. Ein Ökosystem, das funktioniert. OpenAI hat… ChatGPT. Mit Plugins. Die keiner nutzt. Weil GPTs ja die Zukunft sind. Oder so.

„Innovation passiert, während OpenAI Blogposts über Innovation schreibt.“

Die Feature-Wüste

Lasst uns über Features reden. Oder besser: über deren Abwesenheit.

Memory? Beta seit über einem Jahr. Funktioniert mal, funktioniert mal nicht. Hauptsächlich nicht. Claude merkt sich wenigstens konsistent Dinge innerhalb einer Session.

Agents? Angekündigt, verschoben, wieder angekündigt. Der „Operator“ sollte Januar 2025 kommen. Es ist Juli. Währenddessen: Anthropic hat Claude Code am Start, der tatsächlich autonom programmiert.

Vision Fine-Tuning? DevDay 2024 versprochen. Immer noch „coming soon“. Google und Meta haben das seit Monaten.

Voice Mode? Okay, das funktioniert. Wenn die Server nicht wieder überlastet sind. Was sie ständig sind. Weil OpenAI offenbar nicht mit ihrem eigenen Erfolg gerechnet hat.

Die Kommunikations-Katastrophe

Das vielleicht Frustrierendste an der ganzen Situation ist OpenAIs Kommunikation. Oder besser: das komplette Fehlen davon.

Keine Roadmap. Keine Timeline. Keine klaren Commitments. Stattdessen kryptische Tweets von Sam Altman („Big things coming 👀“), vage Andeutungen in Interviews („GPT-5 wird amazing“) und das gelegentliche „We’re excited to share more soon“ – das OpenAI-Äquivalent von „Der Scheck ist in der Post“.

Der DevDay 2024? Eine Ansammlung von Features, die andere längst haben. Realtime API? Cool, aber Latency-Probleme machen es unbrauchbar für Production. Model Distillation? Willkommen in 2023. Prompt Caching? Revolutionary – wenn man die letzten zwei Jahre verschlafen hat.

Die Community? Die wandert ab. Die OpenAI-Foren sind ein Friedhof aus unbeantworteten Feature Requests und Bug Reports. Support-Tickets werden mit Copy-Paste-Antworten abgefertigt. „We appreciate your feedback and will pass it along to our team.“ Sure, buddy.

Das 6,5-Milliarden-Dollar-Ablenkungsmanöver

Aber wartet, es wird noch besser! Während wir auf GPT-5 warten, hat Sam Altman Zeit gefunden, für 6,5 Milliarden Dollar das Hardware-Start-up io von Ex-Apple-Designer Jony Ive zu kaufen. Ja, richtig gelesen. 6,5 Milliarden. Für ein Unternehmen, das noch kein einziges Produkt auf dem Markt hat.

Das Versprechen? Ein „neuartiges KI-Gerät“ ohne Bildschirm, das unser Leben revolutionieren soll. 100 Millionen Geräte wollen sie ausliefern – „schneller als irgendein Unternehmen jemals zuvor“. Altman spricht davon, dass es den Wert von OpenAI um eine Billion Dollar steigern könnte. Eine Billion!

Währenddessen: GPT-5? Fehlanzeige. Vernünftige API-Dokumentation? Nope. Stabile Server? Träum weiter. Aber hey, hauptsache wir bauen das nächste iPhone! Ohne Bildschirm! Das wird bestimmt der Game Changer!

„Wenn du deine Software nicht hinbekommst, bau einfach Hardware. Was kann schon schiefgehen?“

Die Ironie ist kaum zu übersehen: Ein Unternehmen, das es nicht schafft, sein Kernprodukt – ein Language Model – zeitgerecht zu liefern, will jetzt Hardware bauen. Hardware! Das Ding, bei dem Verzögerungen in Jahren gemessen werden. Das Ding, wo Supply Chains, Produktionsqualität und tausend andere Variablen reinspielen.

Aber sicher, Sam. Erzähl uns mehr davon, wie ihr „das Größte tun werdet, was ihr als Unternehmen je getan habt“. Vielleicht könntet ihr erstmal das liefern, was ihr vor zwei Jahren versprochen habt?

Warum ich trotzdem bleibe (und warum das dumm ist)

Ihr fragt euch jetzt vermutlich: Warum kündigst du dein Abo nicht einfach? Gute Frage. Ich stelle sie mir selbst jeden Monat, wenn die 20 Dollar abgebucht werden.

Teilweise ist es Sturheit. Ich war von Anfang an dabei. GPT-3.5, dann GPT-4, die ganze Reise. Es fühlt sich an wie eine toxische Beziehung, bei der man hofft, der Partner ändert sich doch noch.

Teilweise ist es FOMO. Was, wenn GPT-5 morgen droppt und es wirklich der Game Changer ist? Was, wenn ich der Typ bin, der einen Tag vorher gekündigt hat? (Spoiler: Es kommt nicht morgen.)

Aber hauptsächlich ist es Prinzip. Ich will sehen, wie lange OpenAI das durchzieht. Wie lange sie ihre early adopters ignorieren können. Wie lange sie auf ihrem First-Mover-Advantage sitzen können, bevor er komplett weg ist.

Die unbequeme Wahrheit

OpenAI hat ein Luxusproblem: Sie müssen nicht liefern. Die Marke ist so stark, die Integration so tief, dass Millionen weiter zahlen. Aus Gewohnheit. Aus Bequemlichkeit. Aus Prinzip.

Aber hier ist die Sache: First-Mover-Advantage ist keine Dauerkarte. Ask Yahoo. Ask MySpace. Ask Blackberry. Der Moment, in dem du aufhörst zu innovieren und anfängst, auf deinem Erfolg zu sitzen, ist der Moment, in dem du anfängst zu verlieren.

Und OpenAI? Die sitzen. Gemütlich. Während Anthropic, Google und Meta sprinten.

GPT-5 ist mittlerweile mehr Meme als Model. Es ist der Godot der KI-Welt – alle warten drauf, keiner weiß, ob es überhaupt existiert. Und selbst wenn es kommt: Nach all der Wartezeit, all dem Hype, all den gebrochenen Versprechen – kann es überhaupt noch den Erwartungen gerecht werden?

Vermutlich nicht. Aber hey, ich werde da sein, wenn es droppt. Aus Prinzip.

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Jens Röge

Jens Röge

Texter, Klartext-Lieferant & Gründer von Plain Rebels.
Seit über 10 Jahren im Spiel – spezialisiert auf B2B, Markenkommunikation, Social Media und den ganzen Tech-Kram, den andere nicht verständlich kriegen.

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